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Wie sich ein CBD-Extrakt bei Neuroinflammation auswirkt (neue Studie)
Inhaltsverzeichnis
Entzündliche Prozesse im Gehirn, sogenannte Neuroinflammationen, gelten als begleitende oder mitauslösende Faktoren bei verschiedenen neurologischen Erkrankungen. Dazu zählen etwa Alzheimer, Parkinson, Multiple Sklerose oder Depressionen. Eine aktuelle präklinische Studie hat nun untersucht, ob ein CBD-reiches Extrakt aus der Cannabis-Pflanze (Cannabis sativa L.) in der Lage ist, entzündungsbedingte Veränderungen im Verhalten und im Gehirnstoffwechsel bei Mäusen zu beeinflussen.
Die Untersuchung mit dem Titel „Neuroprotective Potential of a Cannabidiol-Rich Cannabis sativa L. Extract in a Mouse Model of Neuroinflammation“ wurde im April 2025 im Fachjournal Journal of Neuroscience Research veröffentlicht. Ziel der Forscher war es, die Wirkung eines pflanzlichen Vollspektrumextrakts mit hohem Cannabidiol-Gehalt im Vergleich zu synthetischem, isoliertem CBD zu prüfen – und zwar im Rahmen eines etablierten Tiermodells für entzündungsbedingte Hirnveränderungen.
Hierfür wurde bei Mäusen durch Verabreichung von Lipopolysaccharid (LPS) eine systemische Immunreaktion ausgelöst, die typische neuroinflammatorische Effekte nach sich zieht – etwa Angstverhalten, Gedächtnisbeeinträchtigungen und motorische Störungen. Im Anschluss untersuchten die Autoren sowohl das Verhalten der Tiere als auch molekulare Marker für Entzündungen, oxidativen Stress und zellulären Stoffwechsel.
Das Ergebnis: Im präklinischen Mausmodell lieferte das CBD-Vollspektrumextrakt (in der Studie mit erhöhtem THC-Gehalt) in mehreren Punkten die besseren Resultate. Was genau dahinter steckt – und was sich daraus ablesen lässt, schauen wir uns im Folgenden genauer an.
Verhalten unter Stress: Pflanzenextrakt verändert Reaktionen im Mausmodell
Entzündungsprozesse im Gehirn hinterlassen Spuren – nicht nur auf molekularer Ebene, sondern auch im Verhalten. Genau das überprüften die Autoren der Studie anhand mehrerer etablierter Testverfahren. Die Tiere, denen zuvor Lipopolysaccharid (LPS) verabreicht worden war, zeigten Reaktionen, wie sie im Zusammenhang mit Angst, Gedächtnisstörungen und eingeschränkter Beweglichkeit auftreten können.
Behandelt wurden die Mäuse entweder mit einem CBD-reichen Cannabisextrakt oder mit synthetischem Cannabidiol, um Unterschiede bei der Reaktion auf die künstlich ausgelöste Neuroinflammation zu erfassen. Die Ergebnisse fielen deutlich aus.
„Compared with synthetic CBD, the CS extract […] demonstrated superior efficacy in mitigating LPS-induced anxiety-like behavior, cognitive deficits, and locomotor impairments.“
Konkret heißt das: In allen drei Bereichen – angstähnliches Verhalten, räumliches Gedächtnis und Bewegungsaktivität – zeigte sich bei den Tieren unter Pflanzenextrakt eine messbare Abweichung gegenüber der Kontrollgruppe mit isoliertem CBD. Die Bewertung erfolgte unter anderem im Morris Water Maze, einer Art Orientierungstest im Wasser, sowie im Elevated Plus Maze, bei dem die Verteilung von Zeit in offenen und geschlossenen Armen Rückschlüsse auf vermeidendes Verhalten zulässt.
Dass die Unterschiede im Verhalten messbar waren, ist ein erstes Signal, das der Frage nach den Unterschieden zwischen Einzelstoff und Vollextrakt nachgeht. Entscheidend ist hier jedoch nicht das Ergebnis im Sinne einer Bewertung, sondern der festgehaltene Unterschied im Modell selbst. Genau das macht diesen Teil der Studie so relevant – denn es wurde systematisch verglichen, nicht vermutet.
Entzündungsreaktion im Gehirn: Pflanzenextrakt beeinflusst zentrale Marker
Wer neuroinflammatorische Prozesse untersucht, kommt an bestimmten biochemischen Parametern nicht vorbei. Dazu zählen die Zytokine Interleukin 6 (IL-6) und Tumornekrosefaktor Alpha (TNF-α), die in Entzündungsreaktionen eine zentrale Rolle spielen. Hinzu kommt das Strukturprotein GFAP – ein Marker, der vor allem bei der Aktivierung von Astrozyten im zentralen Nervensystem gemessen wird.
Im Rahmen der Studie wurde der präfrontale Kortex der Mäuse untersucht, also ein Gehirnareal, das unter anderem mit Entscheidungsprozessen und emotionaler Steuerung in Verbindung steht. Die Autoren berichten über die Ergebnisse in einer Formulierung, die den Kern der Beobachtung trifft:
„It also significantly mitigated oxidative stress (increased GSH, reduced TBARs) and suppressed proinflammatory cytokines and GFAP mRNAs.“
Zu Deutsch: Die Tiere, die den Pflanzenextrakt erhielten, zeigten im Vergleich zur Kontrollgruppe niedrigere Spiegel der genannten Entzündungsmarker. Gleichzeitig stiegen die Werte von GSH (Glutathion) – einem körpereigenen Reduktionsmittel – und die Konzentration oxidativer Abbauprodukte (TBARs) nahm ab. Der Zusammenhang liegt in der Wechselwirkung von Entzündung und oxidativem Stress, die in dieser Untersuchung in mehreren Parametern erfasst wurde.
Entscheidend ist dabei die Methodik: Die Forscher nutzten quantitative PCR, um die mRNA-Expression der genannten Marker zu bestimmen. Die Veränderungen in den gemessenen Werten werden nicht als Annahme präsentiert, sondern sind Ergebnis gezielter molekularbiologischer Analysen. Damit wird nicht interpretiert, sondern dokumentiert, wie sich bestimmte biochemische Kennzahlen im Zusammenhang mit der Gabe des Pflanzenextrakts verändert haben.
Auch hier bleibt das Studiendesign konsequent beobachtend. Es geht nicht um klinische Relevanz, sondern um die präzise Beschreibung biochemischer Veränderungen in einem definierten Tiermodell.
Zellstoffwechsel im Fokus: Stabilität trotz entzündlicher Reize
Astrozyten, die strukturellen und funktionellen Unterstützer des zentralen Nervensystems, reagieren empfindlich auf entzündliche Veränderungen. Im Kontext von Neuroinflammation ist bekannt, dass sie ihren Energiestoffwechsel anpassen – weg von der Glykolyse, hin zur oxidativen Phosphorylierung. Diese Verschiebung gilt als Marker zellulären Stresses und ist ein regelmäßig beobachtetes Phänomen in präklinischen Modellen.
In der vorliegenden Untersuchung wurde genau dieser Aspekt gezielt überprüft. Die Forscher analysierten mithilfe sogenannter extrazellulärer Flussmessungen, wie sich der zelluläre Energiestatus unter LPS-Einfluss verhielt – und wie sich dieser Zustand unter dem Einfluss des CBD-reichen Pflanzenextrakts entwickelte. Die Beobachtung lautete:
„The extract modulated CB1 receptor expression and preserved metabolic homeostasis in cortical astrocytes, preventing their shift from glycolysis to oxidative phosphorylation under neuroinflammatory conditions.“
Diese Formulierung verweist auf eine Stabilisierung zellulärer Stoffwechselprozesse im präfrontalen Kortex. Anders gesagt: Während die Entzündung bei unbehandelten Tieren mit einer typischen Umstellung des Astrozytenstoffwechsels einherging, blieb dieser Effekt in der Vergleichsgruppe mit Pflanzenextrakt aus. Die Glykolyse wurde beibehalten, die oxidativen Stoffwechselwege wurden nicht verstärkt aktiviert.
Das ist keine Spekulation, sondern eine Beobachtung unter Laborbedingungen. Entscheidend ist hier die präzise Formulierung der Autoren: „preserved metabolic homeostasis“ beschreibt einen messbaren Zustand, keine Bewertung. Der Energiestoffwechsel blieb in der untersuchten Gruppe stabil, obwohl eine Entzündungsreaktion induziert worden war. Das allein macht den Befund bemerkenswert – nicht im Sinne eines Nutzens, sondern im Sinne der beobachteten biochemischen Konstanz.
CB1-Rezeptorbindung: Modellbasierte Hinweise auf molekulare Wechselwirkungen
Neben Verhaltenstests, biochemischen Parametern und zellulären Stoffwechselanalysen widmete sich die Studie einem weiteren Detail: dem molekularen Zusammenspiel einzelner Pflanzeninhaltsstoffe mit dem CB1-Rezeptor, einem zentralen Bestandteil des körpereigenen Endocannabinoid-Systems. Hierzu nutzten die Autoren eine rechnergestützte Analyse auf Basis tiefenlernender Algorithmen.
Konkret interessierte sie, ob und wie Delta-9-Tetrahydrocannabinol (Δ9-THC) – ein natürlicher Bestandteil des Pflanzenextrakts – die Struktur des Rezeptors beeinflusst. Die Autoren berichten:
„Computational modeling highlighted conformational changes in CB1 receptor residues induced by Delta-9-THC that enhanced CBD binding.“
Das bedeutet: Die Modellrechnungen deuten darauf hin, dass Δ9-THC bestimmte Aminosäurenreste im CB1-Rezeptor so beeinflusst, dass CBD besser binden kann. Dieser Hinweis bezieht sich nicht auf eine Wirkung im engeren Sinne, sondern auf eine strukturbiologische Veränderung, die im virtuellen Modell dargestellt wurde.
Der Befund steht in direktem Zusammenhang mit einem Begriff, der in der Cannabinoidforschung seit Jahren diskutiert wird: dem sogenannten Entourage-Effekt. Gemeint ist damit das Zusammenspiel mehrerer Cannabinoide oder Terpene, deren Gesamtheit andere Eigenschaften zeigt als die isolierten Einzelsubstanzen. Auch dieser Aspekt bleibt in der Studie strikt auf der Ebene modellgestützter Beobachtungen. Es wird nicht behauptet, dass ein solcher Effekt existiert – aber es wird ein möglicher Mechanismus beschrieben, der ihn erklären könnte.
Was diesen Teil der Untersuchung auszeichnet, ist die methodische Ergänzung: Während die übrigen Studiendaten aus Tiermodellen stammen, basiert dieser Abschnitt auf computergestützter Strukturanalyse. Die Beobachtung bezieht sich also nicht auf Verhalten oder Zellbiologie, sondern auf eine molekulare Hypothese, die sich aus bekannten Strukturen und ihren Wechselwirkungen ableitet. Damit liefert die Studie einen letzten, konzeptionell anders gelagerten Baustein – und zeigt, dass die Forschungsfragen in diesem Bereich weit über das hinausgehen, was sich allein durch klassische Labormethoden abbilden lässt.
Fazit
Die im Journal of Neuroscience Research veröffentlichte Studie mit dem Titel
„Neuroprotective Potential of a Cannabidiol-Rich Cannabis sativa L. Extract in a Mouse Model of Neuroinflammation“ liefert eine Reihe konkreter Beobachtungen aus einem etablierten Tiermodell. Untersucht wurde ein CBD-reiches Cannabisextrakt im Vergleich zu isoliertem Cannabidiol – mit Fokus auf Verhalten, Entzündungsparameter, Zellstoffwechsel und molekulare Bindungsvorgänge am CB1-Rezeptor.
„CS extract (20.0 mg/kg) demonstrated superior efficacy in mitigating […] anxiety-like behavior, cognitive deficits, and locomotor impairments. It also significantly mitigated oxidative stress […] and suppressed proinflammatory cytokines and GFAP mRNAs […].“
In diesem Satz fassen die Autoren mehrere zentral beobachtete Veränderungen im Mausmodell zusammen. Die Tiere erhielten eine systemische Entzündungsinduktion mit LPS – ein gängiges Verfahren zur Simulation neuroinflammatorischer Prozesse. Unter Gabe des CBD-reichen Pflanzenextrakts (20 mg/kg) zeigten sie im Vergleich zur Kontrollgruppe:
-
geringere Ausprägung von Verhaltensparametern, die im Modell mit Angst, kognitiven Einschränkungen und Bewegungsstörungen in Verbindung gebracht werden,
-
eine messbare Senkung von oxidativem Stress (anhand von GSH und TBARs),
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sowie eine Reduktion proinflammatorischer Signalstoffe (IL-6, TNF-α) und GFAP-mRNA, dem Transkript eines Gliazellmarkers, der für Astrozytenaktivierung steht.
Der Befund bezieht sich auf Messungen im präfrontalen Kortex, einem Hirnareal, das unter anderem für Lernprozesse, Aufmerksamkeit und Emotionsregulation relevant ist. Die Autoren beschreiben damit eine mehrdimensionale Veränderung im Tiermodell, die sich sowohl auf Verhaltensebene als auch auf zellulär-molekularer Ebene nachvollziehen ließ. Die Ergebnisse beziehen sich ausschließlich auf ein standardisiertes Tiermodell unter Laborbedingungen. Aussagen zur klinischen Bedeutung oder Übertragbarkeit auf den Menschen lassen sich daraus nicht ableiten.