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CBD-Öl für Pferde: Neue Studie zeigt deutliche Effekte auf Augeninnendruck
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Ein zu hoher Augeninnendruck bei Pferden ist tückisch – er verursacht keine Schmerzen, kann aber den Sehnerv dauerhaft schädigen und zur Erblindung führen. Inwieweit hier CBD-Öl Abhilfe schaffen kann, wurde in einer Studie der School of Biosciences and Veterinary Medicine der Universität Camerino, Italien untersucht.
In der Humanmedizin gilt der Augeninnendruck als wichtigster beeinflussbarer Risikofaktor für das Glaukom (besser bekannt als „grüner Star“). Auch bei Pferden spielt der sogenannte intraokulare Druck (IOP) eine zentrale Rolle, etwa im Zusammenhang mit Entzündungen der mittleren Augenhaut (Uveitis).
Der Name der Studie: „Effect of orally administered cannabidiol oil on daily tonometric curve in healthy Italian Saddle horses“ – veröffentlicht im Juli 2024 und durchgeführt von Marilena Bazzano, Fulvio Laus, Matteo Cerquetella, Andrea Spaterna und Andrea Marchegiani.
Untersucht wurde, wie sich eine einzelne Dosis eines 20-prozentigen CBD-Öls (1 mg/kg Körpergewicht, oral verabreicht) auf den Augeninnendruck gesunder italienischer Reitpferde auswirkt. Gemessen wurde über acht Stunden hinweg – mit überraschend klaren Ergebnissen: Der Druck sank schnell, deutlich und blieb konstant niedrig.

Was bei den Pferden nach Verabreichung des CBD-Öls gemessen wurde
Gemessen wurde der Augeninnendruck – intraocular pressure, kurz IOP – mithilfe eines veterinärmedizinischen Tonometers. Die Werte lagen bei Studienbeginn im physiologischen Bereich, aber am oberen Ende: 27,3 mmHg im rechten und 24,6 mmHg im linken Auge, jeweils mit enger Standardabweichung. Nach der Gabe des CBD-Öls begann sich dieser Druck innerhalb von Minuten zu verändern.
Schon nach einer Viertelstunde zeigte sich ein messbarer Rückgang. Die Autoren notieren für das rechte Auge einen Wert von 19,5 mmHg, für das linke Auge 20,8 mmHg. Damit liegt der Druck rund 30 Prozent unter dem Ausgangswert. In der Studie heißt es dazu:
“After CBD administration, IOP significantly started to decrease after 15 minutes.”
Die Formulierung „significantly“ verweist hier nicht auf ein vages Gefühl, sondern auf eine statistisch abgesicherte Veränderung. Der Rückgang war nicht nur sichtbar, sondern durch ein gemischtes Varianzmodell auch klar als Effekt innerhalb der Gesamtmessreihe identifiziert – und zwar bei allen acht untersuchten Tieren.
Eine halbe Stunde nach Verabreichung setzte sich der Trend fort. Die IOP-Werte fielen weiter, und zwar auf 17,1 mmHg (rechtes Auge) und 16,6 mmHg (linkes Auge). Spätestens jetzt wurde erkennbar: Der Effekt war nicht flüchtig. Er entwickelte sich systematisch über die Zeitachse.
Seinen tiefsten Punkt erreichte der Druck eine Stunde nach Verabreichung. Die Zahlen sprechen für sich: 11,4 mmHg im rechten Auge, 9,5 mmHg im linken. In der Studie heißt es:
“One hour later CBD it reached the minimum level in all horses.”
Ein Satz, der aufhorchen lässt – nicht wegen seiner Rhetorik, sondern wegen seiner Klarheit. Der Rückgang betraf nicht nur Einzeltiere oder Ausreißer, sondern alle acht Pferde der Studie. Und er war deutlich: Gegenüber dem Ausgangswert sank der IOP um etwa 58 Prozent im rechten Auge und rund 61 Prozent im linken.
Was ebenso festzuhalten ist: Die IOP-Werte blieben auch nach Stunde eins stabil niedrig. Über den gesamten Zeitraum von acht Stunden pendelten sie sich bei Werten um 12 mmHg ein – und unterschritten damit den Ausgangswert dauerhaft um mehr als 50 Prozent. Das belegt auch der abschließende Satz des zentralen Ergebnisteils:
“Remaining statistically significantly lower than normal values for the entire observation period (8 hours).”
Der Augeninnendruck war also nicht nur kurzzeitig reduziert, sondern über den gesamten Zeitraum von acht Stunden hinweg stabil niedriger als vor der Verabreichung. Die Absenkung war dabei durchgehend messbar, dauerhaft und statistisch abgesichert. Die Streuung der Daten wurde im Modell berücksichtigt, ebenso wie mögliche Unterschiede zwischen rechtem und linkem Auge – die übrigens nicht signifikant waren, was die Aussagekraft der Messreihe zusätzlich stützt.
Auch bemerkenswert: Alle Pferde nahmen das CBD-Öl ohne Probleme auf, es war keine Fixierung, kein zusätzliches Halten notwendig. Die Autoren notieren nüchtern:
“CBD oil was well tolerated by all patients that did not need twitch or similar restraint methods to perform tonometry.”
Bei der Messung des Augeninnendrucks – die mit einem Tonometer direkt am Auge erfolgt – kommt es nicht selten vor, dass Pferde unruhig werden oder zurückzucken. In solchen Fällen greifen Tierärzte gelegentlich zu Haltehilfen wie dem sogenannten „Twitch“ – einer Nasenklemme zur kurzfristigen Fixierung. In dieser Studie war das nicht nötig. Keines der acht Tiere musste festgehalten oder beruhigt werden, um die Messung durchführen zu können. Das spricht dafür, dass die Einnahme des CBD-Öls keine Unruhe, kein Unwohlsein, keine Abwehrreaktionen ausgelöst hat. Anders gesagt: Die Verabreichung verlief reibungslos.
Wie CBD-Öl bei Pferden den Augeninnendruck beeinflusst haben könnte
Warum der Augeninnendruck nach der Gabe von CBD-Öl bei allen untersuchten Pferden so deutlich abfiel, beantwortet die Studie nicht abschließend. Doch sie liefert Hinweise. Hinweise, die sich um ein zentrales System im Organismus drehen: das Endocannabinoid-System – kurz ECS.
Dieses körpereigene Regulationssystem besteht aus Rezeptoren (CB1, CB2), körpereigenen Botenstoffen (Endocannabinoiden) und abbauenden Enzymen. Es ist in vielen Geweben aktiv, auch in Teilen des Nervensystems. Und: Es kommt nicht nur beim Menschen vor, sondern bei allen Wirbeltieren – also auch beim Pferd.
In der Studie heißt es:
“The unveiling of the endocannabinoid system has represented a breakthrough for the understanding and management of different diseases, especially those inflammatory in nature.”
Was hier als Durchbruch (Breakthrough) bezeichnet wird, meint die Erkenntnis, dass das Endocannabinoid-System – kurz: ECS – weit mehr ist als eine biologische Randnotiz. Es handelt sich um ein fein abgestimmtes Netzwerk aus körpereigenen Signalstoffen und Rezeptoren, das an unterschiedlichsten Stellen im Körper regulierend eingreift: bei chronischen Schmerzen, bei Stress, bei Entzündungen (Inflammation). In der Forschung hat dieses System über die letzten zwei Jahrzehnte eine neue Perspektive auf chronische und entzündliche Erkrankungen eröffnet, bei Mensch wie Tier.
Die Autoren der Studie knüpfen mit ihrem Satz genau daran an: Sie stellen die Untersuchung der Augeninnendruckveränderung unter den größeren Zusammenhang einer physiologischen Steuerlogik, bei der Cannabinoid-Rezeptoren möglicherweise auch im Auge eine Rolle spielen.
Die Rezeptoren CB1 und CB2 sind beim Pferd unter anderem im Hippocampus, in der Großhirnrinde und im Darm nachgewiesen worden. Dass sie auch im Auge vorkommen könnten, ist plausibel – wenn auch bislang nicht belegt. Die Autoren formulieren es vorsichtig:
“Speculating a possible presence of such receptors also in the retina and neural tissue of uvea.”
Mit anderen Worten: Man vermutet die Existenz der Cannabinoid-Rezeptoren in der Retina – also der Netzhaut – und im Gewebe der Uvea, dem sogenannten Gefäßmantel des Auges. Die Aussage basiert auf dem, was man aus anderen Teilen des Pferdekörpers und aus Untersuchungen an anderen Spezies kennt. Dort finden sich CB1- und CB2-Rezeptoren unter anderem im Gehirn, im Darm und in immunologisch aktiven Zellen. Die Vermutung liegt also nahe, dass sich ähnliche Strukturen auch im Auge wiederfinden – gerade in Arealen, die an der Regulation des Augeninnendrucks beteiligt sind.
Für den Menschen ist diese Präsenz bereits besser erforscht. CB1-Rezeptoren finden sich dort in mehreren Strukturen, die direkt am Flüssigkeitshaushalt des Auges beteiligt sind: im Ziliarkörper (Produktion des Kammerwassers), im Trabekelwerk und im Schlemm-Kanal (beide wichtig für den Abfluss), sowie in verschiedenen Schichten der Netzhaut.
Diese anatomische Verteilung lässt einen funktionellen Zusammenhang vermuten. Die Autoren formulieren:
“This anatomical dissemination of CB1 receptors indicates that cannabinoids may influence IOP by both increasing aqueous humor outflow and decreasing aqueous humor production.”
Der Augeninnendruck entsteht durch das Gleichgewicht zweier Prozesse – der Produktion von Kammerwasser im Ziliarkörper und dessen Abfluss über das sogenannte Trabekelwerk und den Schlemm-Kanal. Gerät dieses Gleichgewicht aus dem Takt, steigt der Druck.
Wenn sich nun CB1-Rezeptoren genau an diesen Schnittstellen befinden – also dort, wo das Kammerwasser produziert oder abgeleitet wird –, dann könnten Cannabinoide theoretisch genau dort eingreifen. Etwa indem sie die Flüssigkeitsproduktion senken oder den Abfluss erleichtern. Beide Mechanismen würden den Druck im Auge senken.
Das bedeutet: Der beobachtete Druckabfall könnte entweder durch eine gedrosselte Produktion des Kammerwassers oder durch einen verbesserten Abfluss zustande gekommen sein – oder durch eine Kombination von beidem.