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CBD bei Kindern mit Autismus: Was eine neue Studie zeigt
Inhaltsverzeichnis
Es ist ein Thema, bei dem die Emotionen schnell hochkochen: Kann CBD Kindern mit Autismus helfen? Während die einen auf Erfahrungsberichte schwören, warnen andere vor voreiligen Schlüssen – zu wenig erforscht, zu viele offene Fragen.
Zwischen Hoffnung und Vorsicht bewegt sich auch eine neue systematische Übersichtsarbeit mit dem Titel „Efficacy and Safety of Cannabinoids for Autism Spectrum Disorder: An Updated Systematic Review“, veröffentlicht im März 2025 im Fachjournal Cureus – und als peer-reviewed klassifiziert. Das internationale Autorenteam um Danilo A. Pereira hat sieben Studien aus Israel und Brasilien ausgewertet – mit insgesamt 494 Kindern und Jugendlichen, im Durchschnitt zwischen acht und dreizehn Jahren alt.
Im Zentrum der Analyse stehen folgende Fragen: Welche Effekte zeigen CBD-haltige Cannabispräparate – etwa auf Schlaf, Verhalten, soziale Interaktion oder Angst? Wie werden sie vertragen? Und was lässt sich aus den Studiendaten überhaupt ableiten – auch im Hinblick auf Produkte, die außerhalb klinischer Studien nur mit deutlich geringeren THC-Gehalten erhältlich sind?
Denn viele der in den Studien eingesetzten Extrakte enthalten deutlich höhere THC-Mengen als in der EU rechtlich zulässig wären – zum Teil bis zu 0,5 % oder mehr. Solche Präparate gelten hierzulande nicht als Nahrungsergänzungsmittel, sondern als rezeptpflichtige Arzneimittel. Eine direkte Übertragbarkeit auf handelsübliche CBD-Öle ist daher nicht gegeben.
Verhaltensänderungen unter CBD: Was die besprochenen Studien dokumentieren
Unruhe, Reizbarkeit, Impulsivität – wer mit autistischen Kindern lebt, kennt diese Symptome nicht aus dem Lehrbuch, sondern aus dem Alltag. Sie machen Familien das Leben schwer, oft mehr als die klassischen Diagnoseschlüssel. Genau hier liegt einer der spannendsten Befunde der neuen Studie: Einige Kinder, die CBD-haltigen Präparate erhielten, zeigten deutlich weniger auffälliges Verhalten.
Besonders auffällig ist das Ergebnis der brasilianischen Studie von Junior et al. (2024). Dort sank die sogenannte psychomotorische Agitation – also das ständige Zappeln, Herumlaufen oder Nesteln – bei Kindern der CBD-Gruppe messbar. Genauer gesagt: von durchschnittlich 2,65 Punkten in der Placebo-Gruppe auf 1,64 Punkte unter CBD. Der Unterschied war statistisch signifikant. Die Autoren halten fest:
“Psychomotor agitation scores were lower in the cannabis group (1.64 ± 1.28) compared to placebo (2.65 ± 1.14) (p = 0.00295).”
Wer mit Zahlen nichts anfangen kann: Der gemessene Unterschied entspricht etwa einem Drittel weniger auffällige Unruhe im Vergleich zur Placebogruppe. In der gleichen Studie wurden auch andere Verhaltensparameter erhoben – etwa sogenannte Stereotypien, also wiederholte Bewegungsmuster wie Händeflattern oder rhythmisches Wippen. Auch hier fiel der Wert in der CBD-Gruppe niedriger aus, doch der Unterschied war statistisch nicht relevant.
“Stereotypy scores were reduced in the cannabis group (1.45 ± 1.06) versus placebo (2.07 ± 1.03) (p = 0.3853).”
Die hohen Standardabweichungen zeigen: Die individuellen Werte lagen teils weit auseinander – sowohl bei den Kindern, die CBD erhielten, als auch in der Placebogruppe. Der gemessene Unterschied könnte also zufällig entstanden sein.
Weniger eindeutig, aber nicht minder interessant sind die Daten aus Israel. In der Studie von Aran et al. (2021) wurden die Kinder von Fachkräften anhand einer standardisierten Skala eingestuft – der CGI-I, einem Instrument zur Bewertung klinischer Veränderungen. Ergebnis: 49 Prozent der Kinder, die ein vollspektrumhaltiges CBD-Präparat bekamen, wurden als deutlich oder sehr deutlich verbessert eingeschätzt. In der Placebo-Gruppe waren es 21 Prozent.
“49% of participants in the whole-plant cannabis group and 38% in the pure cannabinoid group were rated as ‘much improved’ or ‘very much improved,’ compared to 21% in the placebo group (p = 0.005).”
Das eingesetzte Präparat war ein oral verabreichter Cannabisextrakt mit einem CBD:THC-Verhältnis von 20:1. Die tägliche Höchstdosis betrug bis zu 420 mg CBD und 21 mg THC, je nach Körpergewicht. Solche Formulierungen fallen nicht unter frei verkäufliche Nahrungsergänzungsmittel, sondern gelten als medizinische Cannabisprodukte. Eine Übertragbarkeit auf handelsübliche CBD-Öle besteht daher nicht.
Was sagen die Beobachtungsstudien? Sie liefern kein objektives Maß, aber sie bestätigen den Trend. In der retrospektiven Untersuchung von Aran et al. (2019) etwa wurden 61 Prozent der Kinder von ihren Eltern als im Verhalten verbessert wahrgenommen. In einer anderen Studie sank der sogenannte RRB-Score, der repetitive und starre Verhaltensweisen abbildet, um knapp drei Punkte.
“The SRS-2 Restricted and Repetitive Behavior (RRB) score showed a mean improvement of -2.88 (±1.14) in the CBD-rich cannabis group.”
Diese Ergebnisse basieren auf Elterneinschätzungen oder Messinstrumenten ohne Placebokontrolle – sie erlauben also keine Rückschlüsse auf die tatsächliche Wirksamkeit. Dennoch zeichnen sie ein Bild: In mehreren Fällen wurden Verhaltensveränderungen beobachtet, die konsistent mit den Ergebnissen der kontrollierten Studien verlaufen. Ob diese Effekte auf CBD, auf andere Faktoren oder auf Erwartungen zurückgehen, bleibt offen. Aussagekräftige Daten liefern solche Studien also nicht – aber Hinweise, wo sich eine vertiefende Forschung lohnen würde.
Fazit der CBD-Autismusstudie bei Kindern
Was lässt sich aus all dem ableiten? Die Übersichtsarbeit, veröffentlicht unter dem Titel "Efficacy and Safety of Cannabinoids for Autism Spectrum Disorder: An Updated Systematic Review", bietet einen kompakten Überblick über sieben Studien mit insgesamt 494 Kindern. Sie untersucht Effekte auf Schlaf, Angst, Verhalten, soziale Interaktion und die sogenannten Kernsymptome von Autismus.
In mehreren der untersuchten Studien zeigten sich statistisch signifikante Veränderungen, etwa bei psychomotorischer Unruhe oder im Bereich sozialer Responsivität. Gleichzeitig blieben andere Messwerte unberührt, oder die Unterschiede zur Placebogruppe waren gering. Die Studie selbst spricht von möglichen positiven Effekten, relativiert aber umgehend:
“Preliminary evidence suggests that CBD-rich formulations may hold promise for managing certain ASD symptoms. […] However, the findings remain inconclusive due to study heterogeneity and methodological limitations.”
Was auffällt, ist die Uneinheitlichkeit der eingesetzten Präparate: mal Vollspektrum-Extrakte mit höherem THC-Gehalt, mal isolierte CBD-Lösungen. Eine direkte Übertragbarkeit auf handelsübliche CBD-Produkte ist damit ausgeschlossen. Die Autoren weisen selbst darauf hin:
“Variation in cannabinoid formulations across studies makes it difficult to assess their true efficacy and safety.”
Auch beim Thema Sicherheit bleibt vieles offen. Zwar waren die meisten Nebenwirkungen mild, doch es fehlen Langzeitdaten. Vor allem über die Anwendung im Alltag, außerhalb der kontrollierten Studienumgebung, ist wenig bekannt. Das Review nennt das klar beim Namen:
“Further large-scale, controlled trials comparing CBD to established ASD treatments are essential to clarify its role and long-term impact.”
Die systematische Übersichtsarbeit liefert eine Bestandsaufnahme: sieben Studien, knapp 500 Kinder, verschiedene Präparate, unterschiedliche Ergebnisse. Einzelne Befunde zeigen messbare Veränderungen – etwa bei Schlaf, Verhalten oder sozialer Interaktion. Andere Ergebnisse bleiben vage oder statistisch irrelevant. Wie so häufig im CBD-Bereich ist die Studienlage fragmentiert und deren Aussagekraft begrenzt. Und somit eine Übertragbarkeit auf frei verkäufliche Vollspektrum CBD-Öle auch nicht gegeben.