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Cannabis in der Krebstherapie: Das zeigt eine neue Meta-Studie
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Medizinisches Cannabis ist längst mehr als eine Randnotiz in der Debatte um neue Wege in der Krebstherapie. Aber was kann die Pflanze wirklich leisten – und wo endet die Hoffnung? Eine Antwort darauf versucht eine aktuelle Meta-Analyse mit beeindruckender Datentiefe zu liefern: Meta-analysis of medical cannabis outcomes and associations with cancer, erschienen am 15. April 2025 in Frontiers in Oncology.
Die Autoren Ryan D. Castle, James Marzolf, Miranda Morris und William C. Bushell haben nichts weniger getan, als über 10.000 wissenschaftliche Studien unter die Lupe zu nehmen – und daraus 39.767 Einzelbefunde extrahiert. Ziel war es, herauszufinden, wie oft und in welcher Deutlichkeit medizinisches Cannabis im Zusammenhang mit Krebserkrankungen in der Fachliteratur positiv oder negativ bewertet wird.

Das Ergebnis ist klarer als viele erwartet hätten: Positive Einschätzungen sind nicht nur häufiger, sie dominieren das wissenschaftliche Stimmungsbild. Besonders in der palliativen Begleitung – etwa bei Schmerzen, Übelkeit und Appetitverlust – sowie bei entzündungshemmenden Eigenschaften zeigt sich eine deutliche Zustimmung. Auch mögliche antikarzinogene Effekte werden häufiger unterstützt als infrage gestellt – allerdings meist auf Grundlage von präklinischen Untersuchungen. Damit bietet sie einen der bislang umfassendsten Einblicke in das wissenschaftliche Bild zu Cannabis in der Onkologie.
Einordnung von Vollspektrumpräparaten
In der Meta-Analyse wird hervorgehoben, dass Cannabispräparate, die mehrere bioaktive Pflanzenstoffe wie Cannabinoide und Terpene enthalten, in der Literatur als möglicherweise vorteilhafter bewertet werden als isolierte Einzelverbindungen. Die Autoren schreiben:
„Full-spectrum extracts contain a broader range of bioactive compounds, including cannabigerol (CBG), cannabichromene (CBC), flavonoids, and terpenes, all of which contribute to what is known as the entourage effect.“
Dieser sogenannte Entourage-Effekt wird als ein möglicher Grund dafür diskutiert, warum Vollpflanzenextrakte eine stärkere therapeutische Wirkung entfalten könnten. Eine spezifische Untersuchung von Vollspektrum-CBD-Ölen war jedoch nicht Gegenstand der Meta-Analyse.
Cannabis zur Linderung von Symptomen bei Krebs
Ein erheblicher Teil der ausgewerteten Studien befasst sich mit der Frage, ob Cannabis begleitend zur Krebstherapie zur Linderung belastender Symptome beitragen kann. Die Meta-Analyse zeigt hier eine deutliche Tendenz zugunsten unterstützender Bewertungen.
Im Bereich Schmerzmanagement dokumentiert die Studie:
„Studies involving medical cannabis and pain were significantly more likely than average to result in supported sentiment and significantly less likely than average to report not supported sentiments.“
Das Verhältnis ist eindeutig: Unterstützende Einschätzungen treten bei diesem Thema über 211 Prozent häufiger auf als ablehnende.

Schmerzen treten bei vielen Krebspatienten auf – sowohl krankheitsbedingt (z. B. durch Tumordruck auf Gewebe und Nerven) als auch behandlungsbedingt (z. B. nach Operationen, Strahlentherapie oder Chemotherapie). In der medizinischen Literatur wird Schmerz allerdings häufig als Symptom der Krebserkrankung selbst beschrieben, nicht ausschließlich als Nebenwirkung der Behandlung.
Die World Health Organization (WHO) schreibt in ihrer Leitlinie zur Palliativversorgung von Krebspatienten:
„Pain is one of the most common and serious symptoms experienced by people with cancer.“
Dass sich ein so deutlicher Schwerpunkt in den vorliegenden Studien zeigt, markiert einen wichtigen Befund im aktuellen Forschungsstand.
Auch bei Übelkeit, insbesondere im Zusammenhang mit Chemotherapie, fällt die Bilanz zugunsten von Cannabis aus. Die Autoren schreiben:
„Research into medical cannabis and nausea are 69.99% more likely to report supported sentiments than not supported sentiments.“
Eine Zahl, die ins Gewicht fällt. Vor allem, wenn man bedenkt, dass Chemotherapie-bedingte Übelkeit als eine der belastendsten Nebenwirkungen gilt und klassische medikamentöse Ansätze nicht immer ausreichend greifen.
Beim Thema Appetitverlust, ein weiteres zentrales Problem vieler Krebspatienten, ergibt sich ein ähnlich deutliches Bild:
„Studies investigating therapeutic cannabis use are overwhelmingly likely to present supported sentiments, particularly regarding appetite improvements in chemotherapy patients.“
Die Wahrscheinlichkeit für positive Bewertungen lag hier um 94,44 Prozent höher als für ablehnende Einschätzungen. Vor dem Hintergrund von Gewichtsverlust und Mangelernährung (Malnutrition), die den Krankheitsverlauf oft zusätzlich belasten, sind diese Daten von besonderer Relevanz.
In allen drei Bereichen zeigt die Meta-Analyse ein konsistentes Muster: Wo Cannabis zur Linderung von Symptomen untersucht wurde, überwiegen in der Literatur die positiven Einschätzungen deutlich.
Anti-entzündliche Eigenschaften von Cannabis
Chronische Entzündungen gelten als ein Faktor, der die Entstehung und das Fortschreiten vieler Krebserkrankungen begünstigen kann. Die Meta-Analyse von Castle et al. hat untersucht, wie medizinisches Cannabis im Kontext entzündlicher Prozesse in der Fachliteratur bewertet wird – und die Ergebnisse fallen eindeutig aus.
Die Autoren halten fest:
„Studies focused on inflammation are significantly more likely to report benefits rather than risks, indicating a consensus on cannabis’ anti-inflammatory effects.“
In den ausgewerteten Studien finden sich deutlich mehr unterstützende als kritische Einschätzungen. Konkret zeigen die Daten, dass Studien mit Bezug zu entzündlichen Prozessen 46 mal häufiger positive Aussagen enthalten als ablehnende.

Diese Auswertung legt nahe, dass die entzündungsbezogene Forschung zu Cannabis bislang eine bemerkenswerte Konsistenz zeigt. Zwar variiert die Qualität der Einzelstudien, doch im Gesamtergebnis ergibt sich ein stabiles Bild: In der wissenschaftlichen Literatur wird Cannabis im Zusammenhang mit Entzündungsprozessen überwiegend positiv bewertet.
Die Meta-Analyse weist darüber hinaus darauf hin, dass dieser Befund sowohl klassische Entzündungsmarker als auch patientenberichtete Effekte umfasst. Damit wird deutlich, dass sich die untersuchte Literatur nicht nur auf theoretische Modelle stützt, sondern auch praktische Erfahrungswerte berücksichtigt.
Mögliche Hinweise auf antikarzinogenes Potenzial von Cannabis
Die Meta-Analyse von Castle et al. untersuchte auch, wie in der bestehenden Forschungsliteratur das mögliche antikarzinogene Potenzial von Cannabis eingeordnet wird. Das Ergebnis fällt in diesem Teilbereich eindeutig aus.
Die Autoren schreiben:
„Notably, the anticarcinogenic potential of cannabis shows robust support, with no significant findings to the contrary, suggesting a reliable consensus in this area.“
Demnach fanden sich in der ausgewerteten Literatur keine signifikanten Gegenpositionen. Studien, die einen möglichen Zusammenhang zwischen Cannabis und Prozessen wie Tumorhemmung, Apoptose oder Beeinflussung der Tumorentwicklung untersuchten, wurden überwiegend positiv bewertet.

Die Autoren weisen jedoch darauf hin, dass sich die unterstützenden Bewertungen vorwiegend auf präklinische Untersuchungen stützen – also auf Laborstudien und Tiermodelle. Klinische Daten, die die Beobachtungen bestätigen oder präzisieren könnten, sind bislang nur begrenzt verfügbar.
Castle et al. fassen diese Situation so zusammen:
„The investigation into cannabinoids’ direct anticancer properties is ongoing, with emerging data suggesting a promising yet complex therapeutic potential that requires further elucidation through rigorous clinical research.“
Damit wird deutlich: Auch wenn ein Trend innerhalb der vorliegenden Studien erkennbar ist, handelt es sich nicht um abschließend bewertbare klinische Erkenntnisse.
Die Autoren differenzieren dabei die betrachteten Themenfelder: Während bei Untersuchungen zu Tumorwachstum und Tumorgröße eine deutliche Dominanz positiver Bewertungen festgestellt wurde, zeigt sich bei der Betrachtung des Themas Remission ein gemischtes Bild.
Hier heißt es in der Studie:
„However, certain topics, such as remission, present weaker or unclear associations, indicating either a lack of sufficient research or inconclusive results in this context.“
Die Literatur zu Remission bleibt damit heterogen. Weder unterstützt die vorliegende Evidenz klar die Annahme eines Zusammenhangs zwischen Cannabis und Remissionsraten, noch widerspricht sie ihr eindeutig. Vielmehr dokumentiert die Meta-Analyse einen erheblichen Forschungsbedarf in diesem Bereich.
Fazit
Die Meta-Analyse von Castle et al., veröffentlicht in Frontiers in Oncology im April 2025, liefert eine umfassende Bestandsaufnahme der wissenschaftlichen Literatur zur Rolle von medizinischem Cannabis im Zusammenhang mit Krebserkrankungen. Analysiert wurden über 10.000 Studien mit insgesamt 39.767 Einzeldatenpunkten – eine Datentiefe, die in diesem Themenfeld bislang selten erreicht wurde.
Die Ergebnisse zeichnen ein klares Bild: Positive Bewertungen in Bezug auf Cannabis zur Unterstützung bei Schmerz, Übelkeit und Appetitverlust überwiegen deutlich. Auch im Bereich entzündungsbezogener Fragestellungen dokumentiert die Meta-Analyse eine konsistente Tendenz zugunsten unterstützender Einschätzungen.
Im Zusammenhang mit möglichen antikarzinogenen Mechanismen zeigen die ausgewerteten Studien ebenfalls überwiegend positive Bewertungen, wobei sich diese Befunde im Wesentlichen auf präklinische Untersuchungen stützen.
Zur Frage einer möglichen Förderung der Krebsremission durch Cannabis fanden die Autoren hingegen keine klare Evidenz. Hier überwogen unklare oder widersprüchliche Ergebnisse, was auf einen weiterhin hohen Forschungsbedarf in diesem Bereich hinweist.
Die Autoren der Meta-Analyse formulieren ihre Einschätzung so:
„The consistency of positive sentiments across a wide range of studies suggests that cannabis should be re-evaluated within the medical community as a treatment option.“
Das Fazit der Untersuchung lautet damit: Es existiert innerhalb der vorhandenen wissenschaftlichen Literatur eine deutliche, aber klar umrissene Zustimmung zu bestimmten Einsatzbereichen von medizinischem Cannabis bei Krebserkrankungen. Für belastbare klinische Empfehlungen sind weiterhin gezielte, qualitativ hochwertige Studien notwendig.